Retrospektive. Keine "Kleiderausstellung".
- Heike Gehrmann
- 9. Okt.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 11. Okt.
Und es hat doch noch geklappt! Die verschobene Retrospektive zum 80. Geburtstag des Modedesigners Wolfgang Joop in Potsdam läuft jetzt bis 18. November 2025 bei freiem Eintritt im Kunstraum in der Potsdamer Schiffbauergasse.

An sich sollte die Ausstellung über das Lebenswerk des international renommierten, im Jahr 1944 in Potsdam geborenen Modedesigners im Potsdam Museum stattfinden. Dann aber gab es im Vorfeld einigen Trubel. Es gäbe dort zu wenig Platz, war zu vernehmen. Sei’s drum: Die neu gefundene Location, der Kunstraum im Waschhaus Potsdam, erweist sich als passender Rahmen für die von Wolfgang Joops langjährigem Partner Edwin Lemberg kuratierte Retrospektive.
Kommen Sie doch mal mit …
Zunächst entführt der Showroom mit einer Vielzahl von Modedesigns an den Wänden und Teilen aus der "Wunderkind-Kollektion" in Joops jahrzehntellanges Wirken als Modeschöpfer.

In die Wiege gelegt war Wolfgang Joop diese im Allgemeinen mit reichlich Glamour verbundene Profession nicht. Denn 1944 geboren, verbrachte er die ersten Lebensjahre im Nachkriegs-Potsdam nicht „mit goldenen Löffeln.“ Die gab es allenfalls um die Ecke im Schloss Sanssouci, unweit des Guts Bornstedt, dem Bauernhof seiner Großeltern am Park von Sanssouci, wo er mit seinen Eltern wohnte. Mit Papier und Stiften wusste der junge Wolfgang aber schon damals ausgezeichnet umzugehen.
1954 zog Wolfgang Joop mit seinen Eltern nach Braunschweig. Der Vater erkannte das Talent seines Sohnes früh und schickte ihn im Alter von zehn Jahren auf eine Kunsthochschule. Nach dem Abitur folgte erst ein Studium der Werbepsychologie, dann Kunstpädagogik. Beides aber inspirierte Wolfgang Joop nicht sehr.
Seine Berufung führte ihn etwas später, in Hamburg lebend, mit seiner damaligen Frau Karin nach dem Gewinn eines Modewettbewerbs bei der Zeitschrift Constanze in die Welt der Mode. Anfang der 1970er Jahre machte er sich an seine ersten eigenen Kollektionen. 1978 präsentierte er in New York seine erste Prêt-à-porter-Kollektion.

Die aktuell in Potsdam ausgestellten Modedesigns aus mehreren Jahrzehnten und die Kollektions-Teile seines Modelabels "Wunderkind" dokumentieren das herausragende Talent Joops in einer Branche, die man traditionell in Frankreich, Italien und den USA verortet. Aber in Deutschland?
Da kann man international tätige Modeschöpfer traditionell an einer Hand abzählen. Der 1933 in Hamburg geborene Karl Lagerfeld begann seine Laufbahn Mitte der 1950er Jahre in Frankreich, u.a. bei Chloé und Balmain in Paris. Heidemarie Jilin „Jil“ Sander, geboren 1943 in Hedwigenkoog, arbeitete nach ihrem Textilingenieurstudium in den USA beim Magazin McCall‘s. Erst ab den 1980er Jahren wurde sie in Hamburg mit eigenem Label bekannt.
International gefragt
Wolfgang Joops internationale Karriere kommt mit der Gründung seines Mode-Labels JOOP! im Jahr 1982 in Gang.
Auch seine Pelzkollektion, Schuh-, Parfum- und Schmuck-Kreationen ernten weltweit Anerkennung. New York und Monte Carlo werden zur Wirk- und Wohnstätte.
Vorübergehend.
Denn ein kreativer Geist bleibt nicht auf der Stelle stehen. Das merkt man auch beim Rundgang durch die Joop-Retrospektive im Kunstraum in Potsdam. Beileibe keine "Kleiderausstellung“. Vielmehr ein sehenswerter Querschnitt - anhand von Zeichnungen, Skulpturen, Gemälden, Skulpturen, Modezeichnungen und Fotografien - durch das künstlerische Wirken Joops. Zwei ungewöhnliche Motive fallen dabei besonders ins Auge ...

Von Engeln und Affen
Beide sieht Joop als "Transmitter und Zwischenwesen, die mit einer Botschaft versehen sind, die wir empfangen können oder nicht." Affen, weil sie dem Menschen so ähnlich seien und Engel als Boten. In der Potsdamer Ausstellung nehmen die Engel nicht nur als Bilder, sondern auch als Skulpturen reichlich Raum ein.

Das goldgerahmte Triptychon mit filigraner Silberfadenstickerei der Affen - großflächig an der Wand hängend - ist genial und ganz genaues Hinsehen wert.

2001 verlässt Wolfgang Joop das gleichnamige Unternehmen. Die Marke JOOP! geht an die Familie Holy und deren Holy Fashion Group im schweizerischen Kreuzlingen über. Im Lauf der Jahrzehnte hat JOOP! sich zu einer erfolgreichen Lifestyle Brand mit Brillen, Uhren, Mode, Möbeln und Living-Produkten entwickelt.
Mit seinem Label "Wunderkind" kehrt Wolfgang Joop 2003 auf die Modebühne zurück. Firmensitz ist bis Ende 2015 die Villa Rumpf in Potsdam, ab 2016 das zum Geschäftshaus umgewandelte Hotel Bogota in Berlin unweit von Joops Flagshipstore am Kudamm. „Wunderkind“ ist eine Luxusmarke für eine ausgewählte Käuferschicht, die letztlich auch in die Holy Fashion Group integriert wird.
Privat wohnt der Potsdamer Wolfgang Joop weiterhin in seiner Heimatstadt: zunächst in der Villa Wunderkind in der Berliner Vorstadt, und ab 2017 dann - back to the roots - wieder im Landgut Bornstedt, das stets im Familienbesitz geblieben war.
Untätig ist er auch dort nicht. Eine knapp 500 Seiten umfassende Autobiografie mit dem Titel „Die einzig mögliche Zeit" steht im Alter von 75 auf seiner Agenda. Joop widmet sich dieser, wie es sich für einen "Créateur de mode" ziemt: Ideen und Überlegungen werden vor der Produktion mit Akribie skizziert: Er füllt vorab 6000 Seiten zu seinem Lebenswerk - handgeschrieben.
Bis heute schreibt und skizziert Wolfgang Joop alles per Hand und auf Papier. In sehr eleganter Manier.
Seit nun fast acht Jahrzehnten.
Chapeau!
Heike Gehrmann
Weitere Infos:
Wolfgang Joop im Kunstraum
Waschhaus Potsdam
Schiffbauergasse 4d, 14467 Potsdam
Ausstellungsdauer: 4.10. bis 18.11.2025
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 12 bis 20 Uhr
Zeitfenster-Ticket-Buchung empfohlen
Eintritt frei
Kommentare