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  • AutorenbildHeike Gehrmann

Faszinierendes zu Form und Funktion

Aktualisiert: 1. Apr. 2019

25 Schülerinnen und Schüler des 6. Jahrgangs der Evangelischen Grundschule Potsdam begaben sich auf eine außergewöhnliche Entdeckungsreise. Ihr Ziel: die Bauhaus-Kunst. Schon 100 Jahre alt, aber wie man in der Schülerausstellung „Bauhaus bewegt - Bauhaus auf Reisen“ im Potsdamer Kunsthaus Sans Titre sehen kann, forever young ...


Mit ihrer Entdeckungsreise knüpft die Potsdamer Schülergruppe an die vor hundert Jahren am 1. April 1919 erfolgte Grundsteinlegung der weltbekannten Design- und Architekturschule an. Direktor der in Weimar angesiedelten Ausbildungsstätte war der Architekt Walter Gropius. Er gab der neuen Schule den Namen „Staatliches Bauhaus in Weimar - kurz Bauhaus.

Entstanden ist das Bauhaus aus der Vereinigung der Kunstschule in Weimar mit der 1907 von Henry van de Velde gegründeten Großherzoglich Sächsischen Kunstgewerbeschule Weimar.


Das Konzept dieser neuen Design- und Architekturschule hat Gropius im Bauhaus-Manifest von 1918 formuliert: Hier ein Auszug:

"Architekten, Bildhauer, Maler, wir alle müssen zum Handwerk zurück! Es gibt keinen Wesensunterschied zwischen dem Künstler und dem Handwerker. Der Künstler ist eine Steigerung des Handwerkers."


Die Bauhaus-Schule repräsentierte auch den Geist des Aufbruchs, der politisch in der in Weimar tagenden Nationalversammlung und der Verfassung von 1919 zum Ausdruck kam.

Und sie wurde stilprägend für Kunst, Design und Architektur im 20. Jahrhundert - in der Weimarer Republik wie im Ausland.


Die Studierenden wurden im Weimarer Bauhaus "in allen werkkünstlichen Disziplinen" - Bildhauerei, Malerei, Kunstgewerbe und Handwerk - ausgebildet. Das Studium war in drei Abschnitte aufgeteilt: Die Vorlehre bestand aus einem halben Jahr Formunterricht und Materialübungen. Hier wurden die Studierenden mit den grundlegenden Materialeigenschaften und Prinzipien der Produktgestaltung vertraut gemacht. Danach erfolgte die Aufnahme in die Werklehre - diese fand in unterschiedlichen Werkstätten statt. Der dritte Abschnitt bestand aus der Baulehre, also Mitarbeit am Bau. Als Abschluss wurde ein Meisterbrief der Handwerkskammer, bei besonderer Begabung auch des Bauhauses vergeben.



Eine avantgardistische Herangehensweise an die Kunst! Die Interessierte aus Nah und Fern nach Weimar zog. Die erste Bauhausausstellung 1923 zeigte Erstaunliches, darunter das Modellhaus von Georg Muche - das einzige in Weimar realisierte Zeugnis der Bauhausarchitektur. In der Thüringer Stadt wurde das Haus am Horn seinerzeit jedoch auch belächelt, war es doch sehr ungewöhnlich.


Modellhaus von Georg Muche - präsentiert 1923

Nicht belächelt, sondern ein Dorn im Auge waren die avantgardistischen Bauhaus-Künstler den rechtskonservativen Kreisen, die ab 1923 die Thüringer Landesregierung dominierten.“ Jüdisch unterwandert“, internationalistisch - so sahen sie die Gestalter-Gruppe um Gropius. Die Anfeindungen wurden immer schärfer und führten schließlich zur drastischen Kürzung des Schuletats.


1925 erfolgte daher der Umzug des Bauhauses nach Dessau. Dort entstanden dann die ersten Möbel aus dem neuartigen Material Stahlrohr. Von Mart Stam, Ludwig Mies van der Rohe und Marcel Breuer wurde der „Freischwinger“ designt: ein Stuhl mit verchromtem Gestell ohne Hinterbeine! Mit Sitz und Rücken aus Kernleder in Schwarz. Damals im Jahr 1927 eine konstruktive Sensation! Und heute ein Klassiker ...



… der in den vergangenen Wochen auch die Potsdamer Schülergruppe zum Designen anregte :)


Das Bauhaus-Konzept ging auf! Eine konstruktive Zusammenarbeit mit der Industrie begann: In den Werkstätten entstanden weitere funktionale Objekte wie Leuchten, ja sogar auch ganze Kücheneinrichtungen - bestimmt für die Massenfertigung. Doch 1932 wurde das Bauhaus von der NSDAP auch von Dessau vertrieben, ebenso dann 1933 in Berlin.


Die neue, stilprägende Kunstrichtung konnten die Nazis aber nicht komplett ausmerzen. Viele Bauhaus-Künstler emigrierten ins Ausland und entwickelten die Weimarer und Dessauer Ideen weiter - in Chicago, Moskau und vor allem in Israel.

So kann man heute in der "Weißen Stadt am Meer“ Tel Aviv über 4000 Gebäude in Bauhausarchitektur bewundern.

Ein Beispiel ist diese vom Architekturbüro Pitsou Kedem (Design Team: Pitsou Kedem. Irene Goldberg. Hagar Tzvi; Fotograf: Amit Geron) konzipierte Villa mit Pool in Haifa.

"Das Haifa Haus" liegt in einer historischen Allee in Haifas Viertel French Carmel. In der Allee finden sich diverse Wohnhäuser im Bauhaus-Stil: Frei von Ornamenten, sachlich, funktional. Charakteristisch auch die einheitliche Farbgebung sowie ­die einfach gehaltene Oberflächen- und Fassaden-Gestaltung.



Dem Bauhaus-Gründer Walter Gropius, gestorben 1969 in den USA, hätte diese Villa sicher gefallen. Und auch von der Potsdamer Schüler-Ausstellung "Bauhaus bewegt - Bauhaus auf Reisen" wäre er sicher begeistert. Denn auch hier lebt seine oben bereits erwähnte Kunst- und Design-Maxime weiter:


"Architekten, Bildhauer, Maler, wir alle müssen zum Handwerk zurück!


Genau das tat die Schülergruppe: Mit ihren Lehrern und der fachkundigen Unterstützung des Potsdamer Kunsthauses Sans Titre (Team um Werner Ruhnke und Mikos Meininger) studierte sie zuerst die grundlegenden Bereiche der Bauhauslehre:

Farbe und Form

Schrift und Grafik

Licht und Fotografie

Design und Architektur





Wie ambitioniert und kreativ die Schülergruppe die Bauhaus-Theorie dann in die Praxis umsetzte, ist seit 29. März im Potsdamer Kunsthaus Sans Titre in der Französischen Straße 18 zu bewundern.



Fazit: Absolut sehenswert!

Geöffnet ist die Ausstellung von Mittwoch bis Sonntag von 14 bis 18 Uhr.

Ausstellungsdauer: bis 14. April 2019. Eintritt frei.


Infos:

www.sans-titre.de

www.evangelische-grundschule-potsdam.de


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