top of page
  • AutorenbildHeike Gehrmann

Wo die Bilder laufen lernten

Aktualisiert: 17. Mai 2019

Was 1911 in einem Dachatelier als Berliner Bioscop-Filmgesellschaft begann, zählt heute zur Premier League im Bereich der Filmproduktion: die Filmstudios Babelsberg. Der Reigen ausgezeichneter Produktionen aus diesem ältesten Großatelier-Filmstudio der Welt reicht von „Der Totentanz“ über "Metropolis" und "Bridge of Spies" bis "Babylon Berlin"...


Grandiose Filmkulisse: Berlin in den 20er Jahren - zu bestaunen in den Film Studios Babelsberg

1911 entdeckt Guido Seeber, technischer Leiter der Bioscop Filmgesellschaft, die aus Feuerschutzgründen ihr Berliner Atelier verlassen muss, in Babelsberg ein leer stehendes Fabrikgebäude. Am 12. Februar gehen dort in einem angebauten Glashaus zum ersten Mal die Scheinwerfer für den Stummfilm "Der Totentanz" mit Asta Nielsen in der Hauptrolle an.


1920 fusioniert die Deutsche Bioscop mit der Decla (Deutsche Eclaire-Gesellschaft) zu Deutschlands zweitgrößter Filmgesellschaft nach der Ufa.1921 fusioniert die Decla-Bioscop dann mit der Ufa. Eine marktbeherrschende Filmfirma wächst heran. In der auch Alfred Hitchcock arbeitet, als ihn noch keiner kennt - 1924/25 als Autor und Szenograph von "Die Prinzessin und der Geiger".


Trieb die Ufa an den Rand des Ruins: der Film Metropolis

1926 wird für "Metropolis" von Fritz Lang das heute "Marlene Dietrich-Halle" genannte Großatelier errichtet - das größte Europas.


1928 expandiert die Ufa und erschafft ein Tonfilmatelier. Der Tonfilm "Der blaue Engel" wird 1930 zum Triumph für Hauptdarstellerin Marlene Dietrich. Sie geht nach Hollywood.


1935 besuchen Hitler und sein Propaganda-Minister Goebbels die Ateliers. Goebbels betrachtet "Kino als Medikament - mal als Aufputsch-, mal als Beruhigungsmittel für das Volk einsetzbar". Und er hofiert die Stars, besonders die weiblichen, sodass er schon bald „Bock von Babelsberg“ genannt wird.

Sein Propaganda-Ministerium kontrolliert die Filmherstellung, alle Filmbetriebe werden bis 1937 verstaatlicht. Unterhaltungsfilme mit NS-Kolorit dominieren die Produktion.


Selbst vier Wochen nach der vernichtenden Schlacht von Stalingrad 1943 amüsiert sich das deutsche Volk noch cineastisch, als Hans Albers als "Münchhausen" in plakativen Agfacolor-Farben auf der Kanonenkugel durch die deutschen Kinosäle fliegt.


Ende April 1945 erreicht die Sowjetarmee Potsdam und Babelsberg. Im Juli richten die alliierten Siegermächte des Zweiten Weltkriegs das Nachrichtenzentrum für die Potsdamer Konferenz im Studio Babelsberg ein. Im August fallen große Teile des Studiogeländes unter alliiertes Recht. Noch bis 1947 ist die Filmstadt von der sowjetischen Militäradministration (SMAD) besetzt.


Am 17. Mai 1946 wird die DEFA (Deutsche Film AG; ostdeutsch scherzhaft auch: "Das Erwartete Fällt Aus") gegründet. Im früheren Ufa-Studio arbeiten sowjetische Filmbetriebe u.a. an der Synchronisation sowjetischer Filme für den deutschen Markt.

Die politische Führung der DDR kontrolliert die Filmproduktion - von der Staatsgründung im Oktober 1949 bis zum Ende 40 Jahre später.



Ab 1. Januar 1953 sind alle sowjetischen Beteiligungen an DEFA-Betrieben beendet, sie werden komplett verstaatlicht. Das Studio heißt nun "VEB DEFA-Spielfilm". Die SED-Führung veranlasst die Entlassung von Beschäftigten, die in West-Berlin wohnen.




Der erste 70-mm-DEFA-Film "Hauptmann Florian von der Mühle" mit Manfred Krug in der Hauptrolle läuft 1968 erfolgreich an. Nun produziert auch die DDR wie die Sowjetunion, die USA, Großbritannien und Frankreich auf 70-mm-Material.


Ab Oktober 1989 äußert sich unterdrückter Unmut auch im Studio öffentlich: Zu den Forderungen gehört die Zulassung der 1965 von der SED verbotenen Filme verschiedener Genres.


Die Treuhandanstalt privatisiert 1990 die DDR-Staatsbetriebe. DEFA-Betriebe werden zu GmbHs. Filmleute und Politiker engagieren sich für den Erhalt des Babelsberger Standorts, sogar der französische Kulturminister Jack Lang ist dort für ein europäisches Film- und Fernsehzentrum.


Im August 1992 erhält der französische Großkonzern Compagnie Générale des Eaux (CGE, später: Vivendi) von der Treuhand den Zuschlag für den Kauf des Studios, die neue Firma heißt Studio Babelsberg GmbH. Die Medienstadt Babelsberg entwickelt sich weiter. In der Zeit arbeiten mehr als 1500 feste und freie Mitarbeiter in über 60 Film- und Medienfirmen, u.a. bei der UFA Film- & Fernsehproduktion.


2003 gründen ORB und SFB den Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) mit Sitz in Berlin und Potsdam.


Im August 2005 wird die Studio Babelsberg GmbH zur Aktiengesellschaft, der Studiokomplex zum größten Europas. 2007 ist mit zwölf Kinofilmen für Studio Babelsberg das erfolgreichste Geschäftsjahr seit der Privatisierung. Tom Cruise führt Regie bei "Operation Walküre - Das Stauffenberg Attentat."


2012 feierten die Filmstudios Babelsberg 100-jähriges Bestehen - zusammen mit Asta Nielsen ;-)

Am 12. Februar 2012 feiert Studio Babelsberg in der Marlene Dietrich-Halle 100. Geburtstag. Zum Festakt wird die restaurierte Fassung des ersten Babelsberg-Films "Der Totentanz" aufgeführt.


2014 ist Studio Babelsberg erstmals mit drei internationalen Premieren im Wettbewerb der Berlinale vertreten. Das Unternehmen koproduziert eine Reihe internationaler Produktionen, so u. a. Steven Spielbergs "Bridge of Spies - Der Unterhändler - gedreht v.a. an der Glienicker Brücke.


Wes Andersons Film "Grand Budapest Hotel" - produziert 2015 - wird mit vier Oscars ausgezeichnet: Bestes Szenenbild (Adam Stockhausen), Bestes Make-up (Frances Hannon, Mark Coulier), Bestes Kostümbild (Milena Canonero) und Beste Filmmusik (Alexandre Desplat).



Und dann kommt ...

… Babylon Berlin!


Eine deutsche Kriminal-Fernsehserie, produziert von X Filme Creative Pool in Koproduktion mit ARD Degeto, Sky und Beta Film (Regie: Tom Tykwer, Achim von Borries und Henk Handloegten). Das Drehbuch basiert auf Volker Kutschers „Der nasse Fisch“. Schauplatz ist Berlin in den "Golden Twenties".


Gereon Rath (Volker Bruch) ist Kommissar im Kölner Sittendezernat, die Ermittlungen zu einem Pornoring führen ihn nach Berlin. Dort arbeitet er im Polizeipräsidium mit Bruno Wolter zusammen und lernt Charlotte Ritter kennen. Rath, morphiumsüchtig, kämpft nicht nur gegen Verbrecher, sondern auch mit seiner Vergangenheit und gegen die Erinnerungen an den Krieg.


Kommissar Rath und seine Assistentin Charlotte Ritter

Die junge Berlinerin Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries) kommt aus ärmsten Verhältnissen einer Großfamilie, setzt aber alles daran, dem Elend zu entkommen. Sie arbeitet als Stenotypistin in der "Roten Burg", dem Polizeipräsidium am Alexanderplatz. Nachts ist sie Stammgast im legendären Berliner Tanzpalast "Moka Efti", wo sie sich auch prostituiert.


Mit je 16 Folgen in zwei Staffeln (dritte Staffel bereits abgedreht) und einem Budget von knapp 40 Millionen Euro ist dies die bisher teuerste deutsche Fernsehproduktion. Nach der Erstausstrahlung bei Sky1 im Herbst 2017 lief sie ab September 2018 im Ersten, bei ORF1 und SRF 2. Und zog in- wie ausländische Zuschauer in ihren Bann. Nicht zuletzt wegen des Soundtracks, bei dem die litauische Schauspielerin Severija Janusauskaité als russische Gräfin Swetlana Sorokina alias Nikoros im Berliner Tanzpalast Moka Efti den Song „Zu Asche, zu Staub“ so gnadenlos gut performt, dass man sich direkt hineinwünscht in diesen Film - an diesen Schauplatz damals 1929 im Berlin der Weimarer Republik.



Zum Film-Background:

Nach dem Schwarzen Freitag der New Yorker Börse 1929 kam es auch in der Weimarer Republik zum Abzug von kurzfristigen Krediten amerikanischer Investoren, die einen zwischenzeitlichen Aufschwung ermöglicht hatten. Rückläufige Produktion, Massen-Entlassungen und -arbeitslosigkeit, schwindende Kaufkraft - eine Abwärtsspirale riesigen Ausmaßes setzte ein, der die sich im Aufbau befindlichen Sozialsysteme der Weimarer Republik nicht gewachsen waren.


Der Film-Song, „Zu Asche, zu Staub", bei dem das fatalistisch feierwütige Publikum im Berliner Tanzpalast Moka Efti "wie gleichgeschaltet" voller Begeisterung und wie im Rausch mittanzt, wirft cineastisch ebenso brillant wie makaber ein gleißendes Licht auf das, was nur vier Jahre später unter Hitlers NS-Diktatur über Berlin und die Weimarer Republik hereinbrechen sollte.


Update Mai 2019:

https://www.msn.com/de-de/unterhaltung/celebrity/drehschluss-für-babylon-berlin-das-ist-über-staffel-drei-bekannt/ar-AAB7Qo7?ocid=spartanntp#page=1



Mehr Infos zu Babylon Berlin:


Gedreht wurde v.a. im Metropolitan Backlot/Neue Berliner Straße im Studio Babelsberg, einer der größten und modernsten Außenkulissen Europas für Film-, TV- und Werbeaufnahmen.



175 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page